26.09.2023

UPGRADE | Arbeitsplatzattraktivität durch interne Expertise stärken

Spitex Nidwalden setzt auf interne Pflegeexpert:innen, die ihre Kolleg:innen mit Fachwissen unterstützen und sie darin schulen. Dieser Ansatz steigert nicht nur die Kompetenz des Teams insgesamt, sondern vermittelt Sicherheit und motiviert für einen vielseitigen Arbeitsalltag. Ein Bericht.

Attraktivität durch Expertise stärken. Mit diesem Ansatz begegnet die Spitex Nidwalden den täglichen Herausforderungen ihrer rund 120 Mitarbeitenden, die in der somatischen Pflege arbeiten. Kontinuierlich investierte die Organisation in den letzten Jahren in den Ausbau ihrer Expertise:

  • Sie schuf einen internen Pool mit vier Pflegeexpertinnen (zwei Pflegeexpertinnen APN/ MScN, eine Pflegeexpertin BScN, eine Pflegeexpertin Gerontologie), welche die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis bilden.
  • Zusätzlich verfügt die Spitex Nidwalden über Fachspezialist:innen in den Bereichen Palliative Care, Stoma-Inkontinenz, Demenz, Wundpflege oder Kinästhetik.

Das Ziel dieser Expertise-Strategie: Einerseits den Klient:innen eine qualitativ hochstehende und ganzheitliche Betreuung bieten. Andererseits die Mitarbeitenden stärken und in ihrer eigentlichen Tätigkeit im ambulanten Setting «ermächtigen».

Wie sich die Expertise in der Praxis konkret zeigen kann, erläutert Larissa Häfliger, Pflegeexpertin APN bei der Spitex Nidwalden, anhand einer konkreten Situation: Bei einem Tumorpatienten im finalen Krankheitsstadium bestehe beispielsweise oft eine hohe Symptomlast mit Schmerzen, Übelkeit oder Unruhe. Die Symptome zu erkennen und darauf zu reagieren, sei anspruchsvoll und erfordere eine vorausschauende Planung. Abgesehen von der rein pflegerischen Leistung bestehe zudem häufig ein grosses Informationsbedürfnis. Es gehe darum, Angehörige zu beraten, zu instruieren oder die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen Akteuren zu organisieren. Bei diesen und weiteren Themen unterstützt die Expertin die fallführenden Mitarbeitenden, wobei der Lead stets bei der diplomierten Pflegefachperson HF/FH bleibt. Das kann bedeuten, dass die Pflegeexpertin Vorabklärungen trifft, mithilft, eine Situation vor Ort zu beurteilen und einzuschätzen, an Rundtisch-Gesprächen teilnimmt oder in engem fachlichem Austausch mit der jeweiligen Pflegefachperson HF/FH steht.

Die klinische Expertise könnte man als zentrale Kompetenz einer Pflegeexpertin APN bezeichnen. Doch die Pflegeexpertinnen wirken auch auf übergeordneten Ebenen. Unter anderem coachen sie Mitarbeitende, fördern Kompetenzen und schulen sie zu fachlichen Themen. Die Spitex Nidwalden hat beispielsweise monatliche Mikroschulungen zu praxisrelevanten Themen wie «Wissen zu Fatigue» lanciert. Weitere Kompetenzen liegen in der ethischen Entscheidungsfindung, in der interprofessionellen Zusammenarbeit oder in der Forschung.

Und wie wirkt sich die Expertise im Team aus? Pflegeexpertin Larissa Häfliger, die seit fünf Jahren bei der Spitex Nidwalden arbeitet, nimmt eine positive Veränderung wahr: «Durch den niederschwelligen Zugang zur Expertise fühlen sich die Mitarbeitenden auch bei fordernden Pflegesituationen sicherer. Sie wissen, dass sie sich bei Fragen jederzeit telefonisch absichern oder für ein Gespräch unkompliziert bei einer Pflegeexpertin vorbeigehen können.» Der einfache Zugang zum Wissen fördere die Inanspruchnahme, sagt Larissa Häfliger. Allerdings sind die Pflegeexpertinnen längst nicht in jeden Fall involviert. Dies auch, weil die Kompetenz im Team steigt.

Wer sich sicher fühlt, traut sich zu, neue Aufgaben zu übernehmen, und das macht den Job abwechslungsreich und attraktiv. «Auch wir kämpfen um Personal», sagt die Pflegeexpertin. «Doch unsere Teams sind sehr beständig. Mitarbeitende bleiben uns treu, weil sie sich in unserer Organisation wohlfühlen, eine Vertrauensbasis da ist und wir ihnen die Möglichkeit bieten, anspruchsvolle Pflegearbeit zu leisten. Das wird geschätzt.»

Larissa Häfliger ist überzeugt, dass der Ansatz «starke Expertise» Zukunftspotenzial hat. Die Ansprüche an das ambulante Setting seien in den letzten Jahren enorm gestiegen und die Spitex werde auch künftig ein wesentlicher Träger des Gesundheitswesens sein. «Doch die Expertise ist noch nicht in allen Spitex Organisationen so präsent», sagt sie.

Die Herausforderung des Modells liegt – wie oftmals – in der Finanzierung. Die Spitex arbeitet mit verrechenbaren Leistungen. Je mehr Arbeit im Hintergrund, desto weniger Verrechenbarkeit. «Wir rechnen aber nicht kurzfristig, sondern wir denken langfristig», entgegnet Larissa Häfliger. Wenn die Spitex Nidwalden dank interner Expertise immer komplexere Situationen mit höherer Pflegestufe übernehme, wirke sich das positiv auf die Finanzierung aus. «Und auch unser Ansatz, Mitarbeitende binden zu können, zahlt sich langfristig aus», ist sie überzeugt. «Man muss den Mut haben, das auszuprobieren.»

 

Weitere Auskünfte: Mariette Zurbriggen mariette.zurbriggen@artiset.ch


Spitex Nidwalden

Die Spitex Nidwalden ist im gesamten Kantonsgebiet tätig und beschäftigt insgesamt rund 170 Mitarbeitende. Sie ist organisiert in fünf somatische Pflegeteams, ein Pflegeteam Psychiatrie, vier Hauswirtschaftsteams und ein Team Mütter-Väterberatung. Ein vierköpfiges Team mit Pflegeexpertinnen arbeitet auf Mandatsbasis losgelöst von den Pflegeteams. 2022 betreuten die Fachpersonen der Spitex Nidwalden gut 1’200 Personen und leisteten über 83’000 Einsatzstunden.

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