UPGRADE | Die Teams der Altersinstitution bewerten sich selbst
Das Alters- und Pflegeheim des Jauntals in Charmey FR verzichtet auf die Einzelbeurteilung von Mitarbeitenden. Stattdessen bewerten sich die Teams einmal pro Jahr selbst und schlagen Verbesserungsmassnahmen vor. Diese werden dann weiterverfolgt.
Die angespannte Personal-Situation veranlasste das Alters- und Pflegeheim des Jauntals dazu, Massnahmen zur Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen zu ergreifen. «Wir haben ein Interesse daran, attraktiv zu sein», sagt Nathalie Chollet, Leiterin des Pflegeheims. Attraktivität ist noch wichtiger, weil das Dorf Charmey abseits liegt und sich die Problematik des Personalmangels umso schärfer zeigt.
Keine «Alibi»-Beurteilung
Als FH-Honorarprofessor François Gonin der Association fribourgeoise des institutions pour personnes âgées (AFISA-VFAS) das Tool zur Selbstbeurteilung der Teamleistung vorstellte, zeigte sich Nathalie Chollet sofort interessiert. Sie hatte festgestellt, dass individuelle Beurteilungsgespräche oft als «Alibi» empfunden werden und zeitraubend sind. Partizipative Führung wird in Alters- und Pflegeheimen zwar bereits heute angestrebt. Die Umsetzung in der Praxis ist jedoch anspruchsvoll.
Nathalie Chollet wandte sich an François Gonin, der als Führungskraft und als HR-Projektleiter in verschiedenen Verwaltungen tätig war und dann an der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kantons Waadt lehrte. Gonin ist davon überzeugt, dass Organisationen nachhaltig erfolgreich sind, wenn sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihre Entscheidungsfindung und in ihr Management einbeziehen. Bei der Einführung eines solchen Instruments in ihrer Institution hatte Nathalie Chollet auch die Generation Z im Blick, die sich nicht mit dem zufrieden gebe, was man ihr anbiete. «Diese Mitarbeitenden wollen mitdenken und ihren Beitrag leisten».
Sprecher:innen vertreten das Personal
Der erste Schritt bestand darin, das Instrument zur Selbstbeurteilung der Teamleistung an den spezifischen Kontext der Freiburger Pflegeheime anzupassen. Die Methode beinhaltet den Einbezug von Sprecher:innen aus dem Personal. «Diese Vertreterinnen und Vertreter haben sich selbst vorgeschlagen und wurden in diesem neuen Instrument geschult», erklärt Nathalie Chollet. Die Führungskräfte haben die gleiche Schulung absolviert. Sprecher:innen und Führungskräfte entwickelten dann den spezifischen Auftrag für jede Abteilung. «Mit diesem Instrument bewerten sich die Teams einmal pro Jahr in einem ersten Schritt selbst und schlagen Verbesserungsmassnahmen vor. In einem zweiten Schritt trifft sich das Team mit seiner Führungskraft und der Sprecher/die Sprecherin berichtet über das, was in der ersten Sitzung besprochen wurde, was eine gemeinsame Festlegung der Ziele ermöglicht.»
Ein proaktives Team
Jedes Team hat nun seine eigenen Massnahmen, die unter der Verantwortung der Führungskräfte umgesetzt werden. In den Augen der Leiterin sind die Auswirkungen spürbar. «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich mehr berechtigt, ihre Meinung zu sagen und trauen sich zu formulieren, was sie brauchen. Andererseits weisen sie auf suboptimale Situationen hin, schlagen aber auch Massnahmen vor, um diese zu beheben. Sie sind proaktiv, das ist sehr interessant für uns und wertschätzend für die Teams.» Für François Gonin verbessert das Tool schnell die Qualität der Leistungen. «Das System wird effizienter und schafft so mehr Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner, was ja die Hauptaufgabe eines Pflegeheims ist.»
Ein menschlicher Ansatz
Nathalie Chollet ist von den Vorteilen dieses Tools überzeugt und möchte es langfristig beibehalten. «Die anfänglichen Kinderkrankheiten sind überwunden und ich bin überzeugt, dass man bald nicht mehr ohne dieses Tool auskommen wird.» Für Führungskräfte habe es jedoch durch die neue Rolle der Sprecher:innen Veränderungen gegeben: «Für sie ist es nicht immer leicht zu akzeptieren, dass die Teams die Lösungen bringen», räumt die Leiterin ein. Für François Gonin müssen die Führungskräfte eine andere Haltung einnehmen, die eher der eines Managers oder Coaches ähnelt. «Es ist ein Kulturwandel, den man sich zu Eigen machen muss.» Für Nathalie Chollet nähert sich dieses Instrument der Idee der flachen Hierarchie an, ohne alles umzukrempeln. Laut François Gonin geht dieses Instrument weiter. «Es geht um die Mobilisierung des gemeinsamen Potentials, das eine positive Energie in den Teams entfaltet.»
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