Ethische und rechtliche Grundlagen

Diese Themenbox stellt Informationen zum Thema Recht und Ethik bereit, welche die Mitarbeitenden bei ihrem respektvollen Umgang mit Menschen mit einer Demenzerkrankung und den sich täglich stellenden normativen Fragen unterstützen sollen. Wie die sich stellenden Aufgaben in der Betreuung, Begleitung und Pflege ausgeführt werden, hat mit dem eigenen Menschenbild, aus der sich die innere Haltung ableitet, zu tun. Die innere Haltung prägt das Handeln im Alltag.

«Würde und Autonomie sind zwei grundlegende ethische Begriffe zur Charakterisierung eines humanen Lebens. Sie gelten für jedes Leben» (Rüegger, 2013, Vorwort C. Schmid, S. 7). Diese beiden ethischen Dimensionen leiten sich aus der unverlierbaren Menschenwürde ab und sind gerade bei der Betreuung von Menschen mit einer Demenzerkrankung unabdingbar: «Würde und Selbstbestimmung müssen besonders geschützt werden, wenn Menschen durch gesundheitliche Einschränkungen ihre Autonomiefähigkeit ganz oder teilweise verlieren» (Rüegger, 2013, Vorwort C. Schmid, S. 7). Da Menschen mit einer demenziellen Erkrankung ihre Rechte häufig nicht mehr selbstständig einfordern können, sind sie in besonderem Mass auf den Schutz ihrer Würde und ihrer Autonomie sowie ihrer weiteren, sich daraus ableitenden Rechte angewiesen.

Weiterführende Literatur
Rüegger, H. (2013). Würde und Autonomie im Alter. Ethische Herausforderungen in der Pflege und Betreuung alter Menschen. Mit einem Vorwort von C. Schmid. Hrsg. von CURAVIVA Schweiz. Bern.

UN-Behindertenrechtskonvention (BRK)

Unter Hinweis auf die Allgemeine Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen betont die Behindertenrechtskonvention die Anerkennung der Würde und Werte sowie der gleichen und unveräusserlichen Rechte aller Menschen. Sie bekräftigt das Verständnis einer Gesellschaft, die eine Exklusion von Personen mit einer Behinderung nicht akzeptiert. In Artikel 3 sind besonders die Anliegen von Partizipation und Inklusion in der Gesellschaft festgehalten.

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK) ist ein Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das am 13. Dezember 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen wurde und am 3. Mai 2008 in Kraft getreten ist. «Die BRK wurde von der Schweiz am 15. April 2014 ratifiziert und ist am 15. Mai 2014 in Kraft getreten. Mit ihrem Beitritt zum Übereinkommen verpflichtet sie sich, Hindernisse zu beheben, mit denen Menschen mit Behinderungen konfrontiert sind, sie gegen Diskriminierungen zu schützen und ihre Inklusion und ihre Gleichstellung in der Gesellschaft zu fördern» (EDI, Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderung). Dies betrifft insbesondere die Bildung, die Arbeit, die Barrierefreiheit in der gesamten Lebensgestaltung inklusive Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln.

Die Branchenverbände INSOS, CURAVIVA und der Verband für anthroposophische Heilpädagogik und Sozialtherapie (vahs) haben eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet. Sie prüft, wie die Institutionen in den Bereichen Kinder und Jugend, Menschen mit Behinderung und Menschen im Alter bei der konkreten Umsetzung der Konvention am besten unterstützt werden können.

Quellen und weiterführende Literatur
UN-Behindertenrechtskonvention (BRK). Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Eidgenössisches Departement des Innern (EDI). Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Rechtliche Grundlagen / Erwachsenenschutzrecht

Einleitung und Literaturhinweise

Alle Menschen sind in der Schweiz rechtlich durch das neue Erwachsenenschutzrecht geschützt. Es umfasst die Artikel 360–456 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Es wurde im Dezember 2008 von der Bundesversammlung verabschiedet und trat am 1. Januar 2013 in Kraft.

Das Erwachsenenschutzgesetz bietet verschiedene Instrumente, mit denen die Selbstbestimmung auch beim Eintreten einer Urteilsunfähigkeit gewahrt bleiben soll. Damit urteilsunfähige Menschen trotzdem weiterhin ihren Willen durchsetzen können, hat der Gesetzgeber den Vorsorgeauftrag geschaffen und die Patientenverfügung im Gesetz verankert.

Weiterführende Literatur
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (1907/2007)
Franz Bricker, F., Bickel, T., Limacher, U., Moser, P., Ruegge, B., Spescha, E. (2012). Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. Informationen und Praktische Arbeitshilfen für Behindertenrechte. Herausgegeben von CURAVIVA Schweiz.
CURAVIVA Schweiz (Hg.). (2016). Neues Erwachsenenschutzrecht. Basisinformationen, Arbeitshilfen und Musterdokumente für Alters- und Pflegeinstitutionen. Bern.
Rüegger, H. (2013). Wohnen und Leben in einer Altersinstitution. Informationen zum neuen Erwachsenenschutzrecht für Bewohnerinnen und Angehörige. Herausgegeben von CURAVIVA Schweiz. Bern.
Rüegger, H. (2014). Patientenverfügungen in der deutschsprachigen Schweiz. Eine Dokumentation. Herausgegeben von CURAVIVA Schweiz. Bern.
CURAVIVA Schweiz (Hg.). (2017). Faktenblatt: Erwachsenenschutzrecht. Freiheitsbeschränkende Massnahmen.

Urteilsfähigkeit

Das Zivilgesetzbuch (ZGB) definiert Urteilsfähigkeit in Artikel 16 wie folgt: «Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.» Das Kriterium, vernunftgemäss zu handeln, setzt voraus, dass eine Person fähig ist, sich ein Bild von der Realität zu machen und den Sinn und Nutzen sowie die Wirkungen eines bestimmten Verhaltens zu beurteilen. Urteilsfähigkeit setzt zudem voraus, dass man sich frei und unbeeinflusst verhalten kann. Das Recht geht davon aus, dass jemand urteilsfähig ist, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Die Urteilsfähigkeit muss demnach jemandem abgesprochen werden. Zudem ist die Urteilsfähigkeit immer an konkrete Situationen und Entscheide gebunden. Sie muss von Fall zu Fall konkret beurteilt werden. Eine Demenzdiagnose bedeutet nicht, dass die betroffene Person nicht mehr urteilsfähig ist. Auch eine kognitive bzw. geistige oder psychische Beeinträchtigung bedeutet nicht automatisch eine Urteilsunfähigkeit.

Weiterführende Literatur
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (1907/2007)

Vertretungsrechte

Das neue Erwachsenenschutzgesetz stellt sicher, dass alle Personen im Falle einer Urteilsunfähigkeit einen gesetzlichen Vertreter haben. Dazu gibt es verschiedene Regelungen und Zuständigkeiten.

Gibt es keine im Rahmen eines Vorsorgeauftrags benannte Vertretung, sieht Art. 374 ZGB eine Vertretung der urteilsunfähigen Person durch den Ehepartner/die Ehepartnerin bzw. den eingetragenen Partner/die eingetragene Partnerin für gewisse persönliche und finanzielle Angelegenheiten vor. Sollten die Interessen der urteilsunfähigen Person im Rahmen der Vertretung gefährdet oder sogar nicht mehr gewahrt sein, tritt die Erwachsenenschutzbehörde in Funktion und kann eine Beistandschaft errichten (vgl. Art. 376 Abs. 2 ZGB).

Was die Vertretung der urteilsunfähigen Person hinsichtlich medizinischer Massnahmen betrifft (vgl. Art. 377 f. ZGB), gilt zunächst der im Rahmen der Patientenverfügung geäusserte Wille. Sollte sich die Patientenverfügung nicht dazu äussern, hat der behandelnde Arzt die Behandlung unter Einbezug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person zu planen. Art. 378 B Abs. 1 ZGB hält im Detail fest, welche Personen in welcher Reihenfolge in Bezug auf ambulante oder stationäre Massnahmen vertretungsberechtigt sind.

Weiterführende Literatur
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (1907/2007)

Bewegungseinschränkende Massnahmen

Der Umgang mit bewegungseinschränkenden / freiheitseinschränkende Massnahmen in Institutionen ist im neuen Erwachsenenschutzgesetz geregelt (vgl. Art. 383 ff. ZGB). Bewegungseinschränkende Massnahmen müssen verhältnismässig sein und dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn weniger einschränkende Massnahmen keine Wirkung zeigen. Die Verantwortung für die getroffene Massnahme hat die Institution. Die Massnahme muss mit Begründung, Angabe der Dauer und dem Überprüfungszeitpunkt dokumentiert werden. Die Massnahmen müssen zeitlich befristet sein und immer wieder überprüft werden. Auch dies muss festgehalten werden. Zudem können die Betroffenen, wie auch ihnen nahestehende Personen, die Erwachsenenschutzbehörde beiziehen, wenn sie der Meinung sind, dass die Massnahme nicht gerechtfertigt ist.

Allerdings empfiehlt es sich auch schriftlich festzuhalten und zu dokumentieren, wenn auf bewegungseinschränkende / freiheitseinschränkende Massnahmen bewusst verzichtet wird. Gerade bei urteilsfähigen Personen sind die Angehörigen nicht immer derselben Meinung, dass auf Massnahmen verzichtet werden kann.  

Weiterführende Literatur
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (1907/2007)
CURAVIVA Schweiz. (2017). Faktenblatt: Erwachsenenschutzrecht. Freiheitsbeschränkende Massnahmen.

Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung

Im Erwachsenenschutzrecht sind der Vorsorgeauftrag (Art. 360ff. Zivilgesetzbuch ZGB) und die Patientenverfügung (Art. 370ff. ZGB) verankert. Mit beiden Instrumenten der persönlichen Vorsorge wird angeordnet, wer später entscheiden soll, wenn Personen selber urteilsunfähig geworden sind.

Mit dem neuen Vorsorgeauftrag können persönliche Angelegenheiten (z.B. Massnahmen im Hinblick auf Pflege, Betreuung und medizinische Behandlung), finanzielle Angelegenheiten (z.B. Verwaltung des Einkommens und des Vermögens) und Regelung der administrativen Angelegenheiten und die Vertretung im Rechtsverkehr (z.B. gegenüber Behörden, Versicherungen, Gerichten) geregelt werden, indem jemand damit beauftragt wird. Allerdings ist es wichtig, dies mit der vorgesehenen Person abzusprechen, da die Übernahme dieser Aufgabe auf Freiwilligkeit beruht.

Mit einer Patientenverfügung kann jede urteilsfähige Person den eigenen Willen zu Massnahmen im medizinisch-pflegerischen Bereich festhalten und eine stellvertretende Person bezeichnen, die im Fall einer eingetretenen Urteilsunfähigkeit dem Willen dieser Person in Bezug auf medizinische Massnahmen Nachdruck verleiht.

Weiterführende Literatur
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (1907/2007).
Rüegger, H. (2014). Patientenverfügungen in der deutschsprachigen Schweiz. Eine Dokumentation. Herausgegeben von CURAVIVA Schweiz. Bern.
Infoblätter Alzheimer Schweiz zu «Urteilsfähigkeit», «Vorsorgeauftrag» und «Patientenverfügung»

Ethischer Orientierungsrahmen

Medizin-ethische Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)

Die Zentrale Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) diskutiert ethische Probleme der Medizin. Als Hilfestellung für die medizinische Praxis oder die biomedizinische Forschung formuliert sie Richtlinien und Empfehlungen. Diese werden in der Regel in die Standesordnung der FMH aufgenommen und dadurch für die FMH-Mitglieder verbindlich. Die Richtlinien werden in regelmässigen Abständen überprüft und revidiert.

Angestossen durch die Nationale Demenzstrategie 2014–2019, erarbeitet die SAMW die medizinisch-ethischen Richtlinien «Betreuung und Behandlung von Menschen mit Demenz».

Im Rahmen der Demenzbetreuung sind zudem folgende Richtlinien der SAMW von Bedeutung:

  • Zwangsmassnahmen in der Medizin
  • Patientenverfügungen
  • Reanimationsentscheidungen
  • Medizinische Behandlung und Betreuung von Menschen mit einer Behinderung
  • Palliative Care
  • Behandlung und Betreuung von älteren pflegebedürftigen Menschen
  • Richtlinien Lebensende (in Bearbeitung)
  • Betreuung und Behandlung von Menschen mit Demenz
  • Beurteilung der Urteilsfähigkeit (in Bearbeitung)

Weiterführende Literatur

Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften – SAMW. Zentrale Ethikkommission.

 

Person-zentrierte Haltung

Der person-zentrierte Ansatz – in der Sozial-und Heilpädagogik spricht man häufig auch vom personzentrierten Ansatz – geht auf den amerikanischen Psychologen Carl Rogers (1902–1987) zurück. Die Achtung der Würde und der Respekt vor jedem Menschen sind zentrale Aspekte dieses Ansatzes. In einem humanistischen Weltbild wird jeder Mensch als eine eigenständige und wertvolle Persönlichkeit gesehen und die Verschiedenartigkeit respektiert. Die person-zentrierte Haltung kennt drei Aspekte:

  • Empathie, d.h. die Fähigkeit, das Erleben und die Gefühle anderer Menschen genau und sensibel zu erfassen;
  • Wertschätzung, d.h. die Fähigkeit, eine Person wertneutral anzunehmen, wie sie ist, also mit all ihren Möglichkeiten und Schwierigkeiten;
  • Kongruenz, d.h. die Fähigkeit, sich eigener Haltungen, Gefühle und Vorurteile bewusst zu sein, aber auch unverfälscht das Verhalten des anderen zu spiegeln und darauf einzugehen, wenn dies möglich und hilfreich ist.

Viele Ansätze in der Begleitung, Betreuung und Pflege von Menschen mit einer Demenzerkrankung orientieren sich an dieser personenzentrierten Haltung der humanistischen Psychologie, so z.B. die Validation.

Eine Aufbereitung des Grundlagengerüsts der person-zentrierten Pflege nach Carl Rogers leistet Ian Morton. In seinem Buch «Die Würde wahren» beschreibt er zudem die wichtigsten Ansätze der Demenzbetreuung, die sich an der person-zentrierten Haltung orientieren.

Tom Kitwood hat diesen Ansatz explizit für die Begleitung von Menschen mit einer Demenzerkrankung ausdifferenziert.

In der Schweiz wird das Thema der person-zentrierten Haltung im Umgang mit betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen im Alter differenziert aufgenommen und von Marlis Pörtner für den Alltag konkretisiert.

Weiterführende Literatur
Rogers, C. R. (2015). Der neue Mensch. Stuttgart.
Morton, I. (2002). Die Würde wahren. Personzentrierte Ansätze in der Betreuung von Menschen mit Demenz. Stuttgart.
Pörtner, M. (2016). Alt sein ist anders. Personzentrierte Betreuung von alten Menschen (4. Aufl.). Stuttgart.
Pörtner, M. (2017). Ernstnehmen, Zutrauen, Verstehen. Personzentrierte Haltung im Umgang mit geistig behinderten und pflegebedürftigen Menschen (11. Aufl.). Stuttgart.

Basisdokumente

Wohn- und Pflegemodell 2030 von CURAVIVA Schweiz

Das Wohn- und Pflegemodell 2030 beschäftigt sich mit neuen und ganzheitlichen Lösungen für die Betreuung, Begleitung und Pflege von Menschen im Alter bzw. für vulnerable Gruppierungen. Verschiedene Gründe verlangen die Entwicklung zukunftsorientierter Visionen. Dazu gehört etwa die demografische Situation, das Älterwerden von Menschen mit lebenslangen Behinderungen und Einschränkungen oder der selbstbestimmte Lebensstil der älter werdenden Babyboomer-Generation. Zudem zeigt sich ein Trend weg vom Altersheim hin zu neuen Wohnformen und zu integrierten Angeboten. Die Grenze zwischen ambulanten und stationären Dienstleistungen wird zunehmend relativiert.

Das vorliegende Modell versteht die Institutionen der Zukunft als dezentralisierte und sozialraumorientierte Dienstleistungsunternehmen, die Menschen im Alter und mit Unterstützungsbedarf ein selbstbestimmtes Leben in der von ihnen bevorzugten Wohnumgebung , das heisst in ihrem Lebensmittelpunkt, ermöglichen.

Das Modell enthält vier konkrete Forderungen:

  1. Der Grundsatz «ambulant vor stationär» ist nicht zukunftsorientiert und deshalb falsch. Richtig muss es in Zukunft heissen «ambulant UND stationär; jedes zu seiner Zeit».
  2. Die bisherige Planung für stationäre Pflegebetten ist überholt. Der Bedarf an pflegerischen Dienstleistungen muss in Zukunft ganzheitlicher geplant werden.
  3. Es braucht eine Vereinfachung des Finanzierungssystems.
  4. Es braucht einheitliche Ansätze zur Vergabe von Ergänzungsleistungen.

Positionspapier Behinderung und Alter von INSOS Schweiz

INSOS Schweiz setzt sich mit dem Positionspapier dafür ein, dass Politik und Behörden

  • die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung im Alter ernst nehmen;
  • ihrem Anspruch auf Selbstbestimmung Achtung verschaffen;
  • den Bedarf an entsprechenden Angeboten im Bereich Wohnen und Tagesstruktur erkennen und auch finanzieren.

Das Papier setzt sich im Rahmen von fünf Forderungen für IV-Bezüger ein, welche bereits institutionelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen oder dies in Zukunft tun möchten. Weiter sind im Positionspapier die ethischen Grundsätze und Verpflichtungen von INSOS Schweiz aufgelistet.

Charta Prävention

2011 haben sich zwölf Verbände, Organisationen und Institutionen – darunter die Verbände INSOS und CURAVIVA (heutige Branchenverbände der Föderation ARTISET), Selbsthilfeorganisationen, Elternvereinigungen, Bildungsanbieter und spezialisierte Ärzte – in der Arbeitsgruppe Prävention zusammengeschlossen. Gemeinsam haben sie die Charta zur Prävention von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und anderen Grenzverletzungen verfasst. Die Charta wurde am 25. November 2011 in Bern vorgestellt und von den beteiligten Verbänden und Institutionen unterzeichnet.

Die Charta Prävention umfasst zehn Grundsätze, die in vier Themenbereiche aufgeteilt sind:

  • Präventionskonzepte
  • Stärkung der Personen mit Unterstützungsbedarf
  • Schlüsselrolle der Mitarbeitenden
  • Einrichtung einer internen Meldestelle und einer externen Ombudsstelle

Die Charta spricht sich für eine Null-Toleranz-Politik aus. Die klare Botschaft: Wir schauen hin! Die Grundsätze der Charta gelten für alle Personen, die in Institutionen oder Organisationen tätig sind oder dort Dienstleistungen erbringen oder beziehen.

Charta für einen würdigen Umgang mit älteren Menschen

Die von CURAVIVA initiierte, von zahlreichen Fachverbänden unterzeichnete und am 11. Mai 2010 in Bern lancierte «Charta der Zivilgesellschaft für einen würdigen Umgang mit älteren Menschen» bündelt Richtlinien und ethisch-gesellschaftliche Leitsätze für verantwortungsbewusstes Handeln in der Betreuung, Begleitung und Pflege von Menschen im Alter. Die Charta soll das Bewusstsein für den würdigen Umgang mit älteren Menschen stärken und so einen wirkungsvollen Beitrag zur Pflegequalität in den Pflegeinstitutionen und Institutionen mit einem sozialen Auftrag leisten. Mitunterzeichnende Fachorganisationen der Charta sind nebst CURAVIVA (heutiger Branchenverband der Föderation ARTISET) das Schweizerische Rote Kreuz, Pro Senectute Schweiz, Spitex Verband Schweiz, curahumanis, der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK), die Schweizerische Alzheimervereinigung und die Unabhängige Beschwerdestelle Schweiz (UBA).

Lebensqualitätskonzeption von CURAVIVA Schweiz – Ethik

Der Branchenverband CURAVIVA der Föderation ARTISET beantwortet die Frage nach dem Leitbegriff von Lebensqualität mit einer Lebensqualitätskonzeption. Eine breit abgestützte Systematik unterstützt den Reflexionsprozess über die Bedingungen und Inhalte von Lebensqualität sowie individuell ausgerichteter Zufriedenheit. Sie ermöglicht den Fachleuten, zusammen mit den Menschen mit Unterstützungsbedarf Entscheidungen und Massnahmen zu treffen, welche konsequent auf die individuelle Lebensqualität ausgerichtet sind.

Zur praktischen Umsetzung der Lebensqualitätskonzeption dient der Lebensqualitätsplan «LQ-Plan». Mit diesem LQ-Plan können die konkreten Einflussfaktoren der individuellen Lebensqualität der Menschen mit Unterstützungsbedarf erkannt sowie die Ressourcen der Institution entsprechend zielgerichtet eingesetzt werden.

Charta Lebensqualität für Menschen mit Behinderung in sozialen Einrichtungen von INSOS Schweiz

INSOS Schweiz unterstützt seit Jahren die Qualitätsentwicklung von Institutionen für Menschen mit Behinderung. Mit Inkrafttreten der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) im Jahr 2004 erhielten die Kantone die Verantwortung für die Qualitätssicherung. Als Unterstützung entwickelte INSOS Schweiz die Qualitätsnorm Referenzsystem INSOS Q mit Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) mit 24 qualitativ orientierten Qualitätsstandards.

Parallel dazu entstand die Charta Lebensqualität. Diese baut auf den drei Leitmotiven Autonomie, Teilhabe und Inklusion auf und unterstützt Einrichtungen dabei, diese Leitmotive in der Konzeption, im Qualitätsmanagement und im Alltag bewusst und nachhaltig zu verankern und die dabei gemachten praktischen Erfahrungen gezielt zu reflektieren. Die Charta setzt auf die eigenverantwortliche Qualitätsentwicklung der Einrichtungen und verzichtet bewusst auf engmaschige normativ-direktive Vorgaben. Die Unterzeichnung der Charta ist für die Mitglieder freiwillig und kann unabhängig vom Referenzsystem INSOS Q erfolgen.

Die Sozialraumorientierung im Verständnis des Branchenverbands CURAVIVA der Föderation ARTISET

CURAVIVA setzt sich für folgende übergeordnete Aspekte im Sinne der Sozialraumorientierung ein, welche für die gesamte Einrichtungslandschaft zukünftig von Bedeutung sind:

  • Bedarfsorientierung anstelle der Angebotsorientierung: Die Leistungen richten sich konsequent auf den individuellen Bedarf aus. Die Betreuung passt sich den Menschen an und nicht umgekehrt. Damit steht die individuelle Lebensqualität im Zentrum. Um den Bedarf feststellen zu können, ist die Partizipation der betroffenen Menschen unerlässlich.
  • Eine Ausrichtung auf die individuellen Ressourcen fördert Autonomie und Selbstwirksamkeit. Beim Einbezug von bereits vorhandenen Ressourcen im Umfeld der zu betreuenden Person kommt dem Sozialraum in seiner räumlichen (Quartier) und seiner personellen Form (Angehörige, Nichtprofis) eine wichtige Bedeutung zu.
  • Die Öffnung der Einrichtungen ist zentral für die Teilhabe der betreuten Personen am sozialen Leben und fördert den Aspekt der Normalisierung.
  • Unterschiedliches Fachwissen wird integriert. Die professionelle und die nicht professionelle Arbeit müssen so koordiniert werden, dass massgeschneiderte Betreuung und Begleitung möglich wird.

Orientiert sich eine Einrichtung am individuellen Bedarf, wird es automatisch zu Mischformen von ambulanter und stationärer Betreuung, Begleitung und Pflege sowie zu vielfältigen Angeboten für besondere Bedürfnisse kommen.

Die Parallelen zur bestehenden Lebensqualitätskonzeption von CURAVIVA sind offensichtlich. Im Zentrum stehen das unterstützungsbedürftige Individuum sowie seine Partizipation und Befähigung. Beschäftigt sich die Lebensqualitätskonzeption mit dem Inhaltlichen, so sind bei der Sozialraumorientierung die Strukturen (Lebensraum, Bauten) und die Abläufe (fachliche Zusammenarbeit, Interdisziplinarität, Case Management) ebenso wichtig.