AltuM-Tandem (ZH)
Begegnung und Unterstützung für ältere Geflüchtete

In Kürze
Im Kanton Zürich sind verschiedene Unterstützungsangebote für ältere Menschen sowie für geflüchtete oder migrierte Personen vorhanden. Das AltuM-Tandem des Hilfswerks der evangelisch-reformierten Kirchen Schweiz (HEKS) ist aber das einzige, welches sich direkt an Personen im Alter von 50 Jahren und älter mit Flucht- oder Migrationsbiografie richtet. Eine Partnerschaft mit einer freiwilligen, vor längerer Zeit geflüchteten oder migrierten Person soll ihnen die soziale Integration erleichtern. Dabei besuchen die Begleitpersonen die Zielpersonen in deren Zuhause oder im Wohnumfeld. Sie tauschen sich untereinander aus, ermöglichen das Zurechtfinden und erste Kontakte im Quartier oder in der Gemeinde.
Vision & Ziele
Die Verbesserung der Lebensbedingungen von älteren Geflüchteten/Migrierten im Kanton Zürich ist die übergreifende Vision des Tandems. Nur so kann ein würdevolles Altern ermöglicht und soziale Ungleichheit im Alter vermieden werden. Für die Begleitpersonen ergeben sich dabei die Chance gesellschaftlicher Anerkennung und die Möglichkeit, das eigene Wissen weiterzugeben.
Ausserdem gilt es als Ziel des Tandems, durch gewonnene Erkenntnisse das breite Netzwerk an Fachpersonen und Regelstrukturen des «HEKS AltuM Zürich» auf die spezifischen Herausforderungen für ältere Geflüchtete aufmerksam zu machen.
Hintergrund
Tatsächlich haben ältere Menschen oft grössere Schwierigkeiten bei der Eingliederung in ein neues Umfeld als jüngere Personen. Erstaunlicherweise sind sie als Gruppe im Blickfeld der bestehenden Angebote trotzdem oft unsichtbar. Als Folge davon erreichen zum Beispiel Angebote für Behandlungen von Traumata nach Kriegs- und Fluchterfahrungen diese Menschen häufig nicht. Als Reaktion auf diese Erkenntnis wurde 2019-2021 das Pilotprojekt im Bereich AltuM (Alter und Migration) des HEKS durchgeführt. Begleitet wurde das Programm von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Das AltuM-Tandem wurde nach der erfolgreichen Pilotphase in den Regelbetrieb des Programms «HEKS AltuM Zürich» eingegliedert.
Good Practices
Das Tandem-Modell wendet neue Ansätze in der Integrationshilfe an, die das Entstehen von Caring Communities fördern. Das Freiwilligenengagement der Begleitperson ist zum Beispiel unentbehrlich. Der Fokus ist auf ältere Personen ausgelegt – eine Gruppe unter Migrierten/Geflüchteten, die oft nicht die Möglichkeiten für eine problemlose Integration haben. Die Teilnehmer:innen werden aktiv eingebunden. Die Integrationsverantwortung liegt damit primär bei der umliegenden Gemeinschaft statt auf der Zielperson.
- Teilhabe & Mitwirkung. Die Partizipation auf beiden Seiten ist entscheidend für den Erfolg des Projekts. Das Tandem baut in allen Projektphasen auf der Beziehung zwischen Ziel und Bergleitpersonen auf, wofür beide Offenheit für neue Erfahrungen zeigen und an der Interaktion teilnehmen müssen. Die Zielpersonen müssen bereit sein, ihren Hilfsbedarf als solchen zu erkennen und Hilfe anzunehmen. Die Tandem-Teilnehmenden haben verschiedene Möglichkeiten, ihr Feedback an die Organisator:innen zurückzumelden. Einerseits ist eine Tandem-Koordinatorin angestellt, die ständig in engem Kontakt mit den Begleitpersonen steht. In den Arbeitsgruppen, die vom HEKS organisiert werden, können sich die Freiwilligen untereinander austauschen. Andererseits gibt es eine WhatsApp-Gruppe, in welcher neben den Freiwilligen auch einige der Zielpersonen sind.
- Reziprozität. Die vertraute, häufig freundschaftliche Beziehung, die zwischen den zwei Geflüchteten/Migrierten aufgebaut wird, begünstigt die Eingliederung der Zielperson in das Beziehungsgeflecht vor Ort. Auch die Begleitperson soll vom Tandem und der Beziehung zum bzw. zur Tandempartner:in profitieren können: Sie erhält durch Weiterbildungen, Erfahrungsaustausch und individuelles Coaching der Tandem-Koordinatorin die Fähigkeit, ihr Wissen an ältere Geflüchtete weiterzugeben. Die Arbeit im Tandem soll keine Verpflichtung für die Begleitperson sein – vielmehr soll sie diese gerne machen. Dies versucht die Projektleitung durch genügend Unterstützung und Rückmeldemöglichkeiten sicherzustellen.
- Koordination & Vernetzung. Die Treffen werden durch eine Tandem-Koordinatorin vom HEKS organisiert. Es sind aber die bereits länger in der Schweiz lebenden geflüchteten/migrierten Personen, die den Zielpersonen Zugang zum neuen kulturellen und sozialen System ermöglichen. Häufig begleiten die Freiwilligen die Zielpersonen z.B. auch zu Arztterminen, Gemeinschaft-Zentren und Ämtern. Sie vermitteln Deutschkurse, Angebote, die ihnen das Lesen ermöglichen und unterstützen sie in der Wohnungs- und Arbeitssuche. Auch die Vernetzung der Begleitpersonen und der Austausch unter ihnen werden gefördert. Damit entwickelt sich ein wichtiges interkulturelles Netzwerk.
Erfahrungen
In der Umsetzung stellte sich heraus, dass das Finden von Zielpersonen sehr schwierig ist. Aktuell sind mehr Freiwillige als Zielpersonen angemeldet. Grundsätzlich ist es für viele Leute nicht einfach, nach Hilfe zu fragen und diese anzunehmen. Die Geflüchteten/Migrierten realisieren teilweise nicht, dass sie Unterstützung benötigen oder sind es sich nicht gewohnt, auf Hilfsangebote angewiesen zu sein. Ein gewisses Ausmass an Hartnäckigkeit – man darf nicht zurückschrecken, mehrere Male bei potenziellen Teilnehmenden nachzufragen – ist gemäss Projektleiterin Aida Kalamujic wichtig. Nach Beginn des Tandems braucht es zudem sehr viel Geduld. Die geflüchtete Person soll nicht von Anfang an mit Angeboten überrollt werden. Stattdessen soll die Beziehung langsam und Schritt für Schritt aufgebaut werden. Auch Transparenz und Offenheit seien entscheidend, um das Vertrauen der Zielpersonen zu erhalten. Als wichtiger Erfolgsfaktor gilt schliesslich die intensive Förderung von Austausch unter den Zielpersonen. Es gibt bereits ein Treffpunkt in Zürich und seit Ende März einen in Winterthur weitere Interaktions- und Kontaktmöglichkeiten für die älteren Geflüchteten sind geplant.
Webseite & Kontakt
https://www.heks.ch/was-wir-tun/heks-alter-und-migration-zuerich/tandem
aida.Kalamujic@heks.ch
Erfassungsdatum: 23.05.22