Älterwerden im Quartier / AWIQ (TG)

Partizipative Quartierentwicklung in Frauenfeld

In Kürze

Mit einem Programm für Quartierentwicklung schuf die Stadt Frauenfeld bessere Rahmenbedingungen für Selbstbestimmung im Alter. Im Jahre 2014 startete das Pilotprojekt «AWIQ-Älter werden im Quartier im Frauenfelder Quartier Kurzdorf. Es eröffnete unter Mitwirkung der Quartierbewohnenden neue Wege, um Partizipation, vernetzte Dienstleistungen und neue Angebote für ältere Personen zu verwirklichen. Als Projekt dauerte AWIQ bis 2017; doch es wirkt bis heute nach: Mit seiner partizipativen und ergebnisoffenen Struktur schuf es optimale Voraussetzungen, um altersfreundliche Quartiere zu entwickeln.

Vision & Ziele

AWIQ richtete sich an ältere Menschen im Quartier, aber auch an deren Angehörige sowie an altersbezogene Institutionen und Organisationen. Mit dem Ziel, die Voraussetzungen für selbstbestimmtes Altern in der gewohnten Umgebung zu verbessern, wurden die Zielgruppen für die Themen «Wohnen und Leben im Alter zuhause» sowie «Leben im Quartier» sensibilisiert und wurde die Grundlage für eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Quartierbewohnenden, Institutionen und Freiwilligen geschaffen– und zwar in einem durchgehend partizipativen Prozess.

Hintergrund

Im Jahr 2013 hatte die Stadt Frauenfeld ein neues Alterskonzept verabschiedet. Es setzte einen Fokus auf den Grundsatz «ambulant vor stationär» und auf dessen Umsetzung durch Partizipation und Solidarität. So startete ein Jahr später, zusammen mit weiteren Massnahmen, AWIQ als ergebnisoffenes Pilotprojekt im Quartier Kurzdorf. Das Projekt wurde von der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz und der Age-Stiftung gefördert sowie von der Fachhochschule St. Gallen (Institut für Soziale Arbeit) und von Careum Forschung unterstützt. Als Produkt von begleiteter Freiwilligenarbeit entstanden mit AWIQ verschiedene Teilprojekte, die heute im Regelbetrieb fortbestehen - darunter etwa der «Kurz-Dorf-Träff» als offener Begegnungsort, die Nachbarschaftshilfe/Talentbörse Kurzdorf zur Vermittlung von Freiwilligeneinsätzen und die Interessensgemeinschaft Wohnen, die generationendurchmischte Wohnformen anstrebt.

Good Practices

Dank AWIQ profitieren die Bewohnenden der Stadt Frauenfeld langfristig von einem Quartierentwicklungsprojekt, welches für das Thema Alter sensibilisiert und mit neuen, niederschwelligen Angeboten gute Bedingungen für eine Caring Community hervorgebracht hat.

  • Teilhabe & Mitwirkung. AWIQ war ein ergebnisoffenes und hoch partizipatives Projekt. Gut 20 freiwillige Quartierbewohnende taten sich zur Projektgruppe zusammen, welche konzeptuelle, organisatorische und ausführende Aufgaben übernahm und an allen Projektphasen beteiligt war. Die Projektleitenden unterstützen die Freiwilligen gezielt, um deren Motivation aufrecht zu erhalten: Es wurde immer auf Ressourcen und Interessen Rücksicht genommen. Die vergebenen Aufträge waren konkret, inhaltlich und zeitlich klar definiert. Gerade beim Erstellen der Konzeption durch Freiwillige war inhaltliche Begleitung wichtig, da die damit verbundenen Aufgaben für viele Personen neu waren. Neben den Freiwilligen wurden auch viele andere Personen des Quartiers partizipativ am Projekt beteiligt. Zur Bedarfsabklärung interviewten Studierende der Fachhochschule St. Gallen ca. 200 Quartierbewohner:innen, wodurch Schwerpunktthemen identifiziert und von der Projektgruppe bearbeitet wurden. Das hohe Ausmass an Partizipation verankerte die Massnahmen im Quartier und begünstigte deren langfristiges Fortbestehen. Dies zeigt sich ganz konkret in den bis heute aktiven Teilprojekten.
  • Koordination & Vernetzung. Mit einem Netzwerktreffen im Jahre 2014 ermöglichte es die Stadt Frauenfeld den verschiedenen Dienstleistenden aus dem Bereich «Älter werden im Quartier», ihre Angebote gegenseitig besser bekannt zu machen. Dies erzielte eine grosse Wirkung; dank anhaltendem Interesse treffen sich die Organisationen, Institutionen und Vereine heute drei Mal im Jahr. Das «Netzwerk altersfreundliches Frauenfeld» wurde 2016 gegründet und steht für ein engmaschiges Netzwerk Alter. Dort ist heute u.a. auch die Freiwilligenarbeit integriert. Für die Koordination zuständig ist die städtische Fachstelle Alters- und Generationenfragen: Sie dient als Drehscheibe im Netzwerk und organisiert beispielsweise die Netzwerktreffen.
  • Formelle & informelle Hilfe. Bereits die Projektstruktur von AWIQ sah eine enge Zusammenarbeit des informellen und des formellen Sektors vor. Schnittstellen ergaben sich aber nicht nur auf Organisationsebene, sondern auch bei den entstandenen Teilprojekten – hier vermittelt und koordiniert ebenfalls die Fachstelle für Alters-und Generationenfragen. Beispielsweise erarbeiteten die Freiwilligen der Nachbarschaftshilfe / Talentbörse eine sehr professionelle Organisationsstruktur. Neben den Kernaufgaben werden Angebote vermarktet und Abläufe strukturiert, was die Zusammenarbeit mit der Spitex oder der Pro Senectute erleichtert. So knüpft ein informelles Hilfssystem sehr aktiv an formelle Organisationen an. Die Fachstelle unterstützte die Nachbarschaftshilfe / Talentbörse in diesem Fall darin, ihren niederschwelligen und informellen Charakter zu erhalten. Die enge Begleitung der Freiwilligenorganisationen war ein wichtiger Pfeiler im Prozess, unabhängig vom Professionalisierungsgrad der einzelnen Organisationen.

Erfahrungen

AWIQ hat sich als ein erfolgreiches Pilotprojekt bewiesen: als Resultatbestehen heute viele neue, verwandte Projekte, das Netzwerk altersfreundliches Frauenfeld und die geschaffene Koordinationsstelle für Quartierentwicklung. Das Vorgehen wurde von Beginn an sorgfältig analysiert und dokumentiert, um die Übertragbarkeit bei anderen Vierteln zu erleichtern. Tatsächlich setzten daraufhin zwei weitere Frauenfelder Quartiere eigene Quartierentwicklungsprozesse in Gang. Beispielsweise wurde die Nachbarschaftshilfe dort weiterentwickelt, wovon wiederum das Kurzdorf-Quartier profitieren und die neuen Elemente ins ursprüngliche Konzept einbauen konnte. Allgemein offenbarte sich die Vermarktung von AWIQ als förderlich für die Identifikation mit dem Projekt; dafür wurde eine Fachperson für Marketing beigezogen. Für die Freiwilligenarbeit erwies es sich als besonders wertvoll, der Partizipation Raum zu geben und die Teilhabenden in dieser Weise weiter zu motivieren. Zu klare Vorstellungen aus dem formellen Bereich hätten der Ergebnisoffenheit des Projekts widersprochen. Eine Lehre lag darin, dass die Kommunikationswege möglichst kurzgehalten werden sollten. Auch wenn die Stadtverwaltung als Anlaufstelle für die freiwilligen Personen diente, lag die Projektleitung zu Beginn nicht bei der Stadt selbst. Freiwillige hätten sich rückblickend eine unmittelbarere Beantwortung ihrer Fragen gewünscht. Als Lösung wäre es beispielsweise sinnvoll gewesen, eine koordinierende Person bei der Stadt / der Gemeinde dafür zu beauftragen. 

Webseite & Kontakt

https://www.altersfreundliches-frauenfeld.ch/projekte/programme-awiq/projekt-awiq.html/42
urban.kaiser@stadtfrauenfeld.ch


Erfassungsdatum: 10.06.22