Seniors et Paysage (VD)

Modellvorhaben für eine nachhaltige Raumentwicklung

In Kürze

Mit Unterstützung des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) und der Leenaards-Stiftung führt die Gemeinde Château-d’ Œx ein Projekt namens «Seniors et Paysages» (Senior:innen und Landschaften) durch. Das Gemeinschaftsprojekt hat zum Ziel, die Landschaften durch eine verbesserte Zugänglichkeit für Seniorinnen und Senioren aufzuwerten. Das Vorhaben ist eines von 31 Schweizer Projekten, die im Rahmen der Modellvorhaben für eine nachhaltige Raumentwicklung 2020-2024 ausgewählt worden sind.

Vision & Ziele

Ziel des Projekts ist es, die Landschaften der Region für und mit Seniorinnen und Senioren aufzuwerten. Es beruht auf ähnlichen gemeinschaftlichen Ansätzen wie die Projekte «Villages solidaires» (solidarische Dörfer), die von Pro Senectute Vaud geleitet und betreut werden. Die durchgeführte, partizipative «Diagnosephase» hat die Erwartungen und Bedürfnisse der älteren Menschen und der lokalen Vereine in Bezug auf ihre Landschaft im weitesten Sinn – Lebensraum und umliegende Landschaftsräume – aufgezeigt. Dank der aktiven Einbindung der Seniorinnen und Senioren können diese zudem ihr Wissen, ihre Kompetenzen und ihre Dynamik einbringen und erhalten so die Möglichkeit, die Region, die ihnen besonders am Herzen liegt, zu fördern.

Hintergrund

Château-d’Œx ist flächenmässig, nicht jedoch bevölkerungsmässig, die grösste Gemeinde des Kantons Waadt. Die Siedlungs- und Infrastrukturfläche der Gemeinde nimmt nur gerade 2% der Gesamtfläche ein, der Rest ist landwirtschaftlich genutzter, bewaldeter oder unproduktiver Raum. Weiter sind von den rund 3'500 Einwohnenden 25% über 65 Jahre alt – im kantonalen Durchschnitt sind es 17%, so dass das Projekt «Seniors et Paysages» besonders gut zur Gemeinde passt. Das Projekt wird von Seniorinnen und Senioren getragen, welche die umgebende Landschaft aufwerten wollen: diese stellt für sie nicht einfach ein Stück Land dar, sondern ist gleichbedeutend mit Freiheit, Wohlbefinden, Sport, Wandern, Wirtschaft und Tourismus. Seitens der Gemeinde besteht der Wunsch, mit der Bevölkerung zu interagieren und ein Netzwerk mit lokalen (professionellen und nichtprofessionellen) Akteuren zu schaffen.

Der Umsetzungsprozess umfasst regelmässige Treffen, die sich mit Arbeitsphasen in thematischen Gruppen abwechseln, die von den älteren Menschen selbst bestimmt werden. Über die Arbeitsgruppen können Ideen priorisiert und konkretisiert werden, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Einwohnenden entsprechen. Die wichtigsten Arbeitsgruppen befassen sich mit der Bewertung von Spazier- und Wanderwegen (Gruppe «Balade diagnostic»), dem Dorfleben (Gruppe «Vie du village»), der Kommunikation (Gruppe «Communication») sowie mit Themenpfaden (Gruppe «Sentiers thématiques»). Eine spezielle Gruppe (Gruppe «Coordination»), die sich alle sechs Wochen trifft, ist für die Koordination und die Förderung der Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen zuständig.

Good Practices

  • Teilhabe & Mitwirkung. Die Seniorinnen und Senioren bringen sich über die Arbeitsgruppen aktiv ein. Die Gruppen stehen allen älteren Menschen offen: Wer will, macht mit! In der Gruppe «Balade diagnostic», deren Ziel es ist, die Infrastruktur und die Zugänglichkeit von Spazier- und Wanderwegen zu verbessern, gehen die Teilnehmenden zum Beispiel zusammen vor Ort und schauen, was gut ist, was verbessert werden muss, was vorhanden ist und was fehlt (z.B. eine Sitzbank, ein Geländer, Elemente der Bodengestaltung, Abfalleimer, usw.). Nach rund zehn Begehungen erstellen sie einen detaillierten Bericht mit Fotos, halten die Vorschläge fest, die vorrangig umgesetzt werden sollten, und geben ihre Ergebnisse an die Gemeinde weiter. Diese hat sich zur Finanzierung von Infrastrukturen verpflichtet. Die Arbeitsgruppe «Vie du village» hat zum Ziel, das Dorfleben zu dynamisieren. In diesem Rahmen wurden bereits verschiedene Initiativen auf die Beine gestellt, so etwa eine Tauschbörse für Herbstpflanzen, ein Begrüssungsprogramm für Neuzuzüger namens «abrazouverts» («Mit offenen Armen»), die Einrichtung von Themenpfaden oder die Gründung der Wandergruppe «Vas-y mollo!», auf Deutsch etwa «Keine Eile!». Weitere Initiativen wie das Autostoppnetz «Je te pouce» zur Verbesserung der Mobilität, ein Kaffeetreff und die Strickgruppe «Trico-thé» befinden sich in der Umsetzungsphase (alles Namen, die im Französischen ein Wortspiel beinhalten).
  • Zugänglichkeit. Alle Seniorinnen und Senioren ab 55 Jahren, die in der Gemeinde wohnhaft sind, können beim Projekt und in den verschiedenen Arbeitsgruppen mitmachen. Sie wurden vor dem Start des Projekts schriftlich informiert und zur Teilnahme an einer ersten Informationsveranstaltung eingeladen. Am besten funktioniert jedoch die Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Motivation zur Teilnahme der älteren Menschen beruht darauf, dass sie konsultiert werden und sich mit selbst gewählten Themen beschäftigen können. Die Begleiterinnen von Pro Senectute, die eine unterstützende Funktion wahrnehmen, sensibilisieren die Teilnehmenden für die «kollektive Intelligenz» und den Geist des Projekts und sorgen für die richtige Gewichtung der Gruppen untereinander.
  • Nachhaltigkeit. Die Nachhaltigkeit des Projekts beruht auf der von Pro Senectute Vaud entwickelten Methodik der «Quartiers et villages solidaires» (Solidarische Quartiere und Dörfer), die diesem Pilotprojekt als Vorlage dient. Hierbei wird die Verankerung eines Projekts durch die Schaffung eines Netzwerks gestärkt, in das die Bewohnenden, die lokalen Vereine und Organisationen sowie die Gemeindebehörden eingebunden sind. Dank der Einbindung der Gemeinde und der Vielfalt der beteiligten Akteure haben diese partizipativen Gemeinschaftspraktiken gute Aussichten auf einen langfristigen Fortbestand.

Erfahrungen

Der Umsetzungsprozess ist noch im Gange. Partizipative Projekte, deren Vorbereitung sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, bevor sie sich schliesslich «emanzipieren», haben bessere Chancen, sich in der Realität vor Ort zu verankern und von der Mehrheit akzeptiert zu werden, als «Top-down»-Massnahmen. Seit dem Start des Projekts sind bereits Räume für einen informellen Austausch geschaffen, neue Freundschaften geknüpft und Wissensnetze erweitert worden. In den regelmässigen Rückmeldungen der Seniorinnen und Senioren kommt ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass sie durch die Mitwirkung neue Kontakte geknüpft haben, sich ernst genommen fühlen und eine neue Art der Kommunikation und Zusammenarbeit erfahren haben. Von der Gemeinde fordert der Prozess zwar Zeit und ein offenes Ohr, ermöglicht es ihr aber im Gegenzug, nah an den Erwartungen und tatsächlichen Bedürfnissen ihrer Bevölkerung zu sein.

Webseite & Kontakt

https://www.quartiers-solidaires.ch/cdo
https://www.chateaudoex-admin.ch
https://www.quartiers-solidaires.ch
maude.rampazzo@vd.prosenectute.ch


Erfassungsdatum: 03.12.21