Erwachsenenschutzrecht und Bewegungseinschränkende Massnahmen

Das Erwachsenen- und Kindesschutzrecht trat am 1. Januar 2013 in Kraft und löste das fast 100-jährige Vormundschaftsrecht ab.

Das neue Erwachsenenschutzrecht sorgt in verschiedener Hinsicht für mehr Klarheit. Es schützt die Rechte von urteilsunfähigen Personen, indem es zum Beispiel bei medizinisch-pflegerischen Handlungen die Stellvertretung regelt. Dies ist vor allem bei älteren Menschen mit einer Demenz oder bei erwachsenen Menschen mit Behinderung von Bedeutung. Auch vorsorgliche Regelungen zu lebensverlängernden Massnahmen für den Fall einer Urteilsunfähigkeit können jetzt verbindlich in einer Patientenverfügung festgelegt werden.

Das Erwachsenenschutzrecht regelt zudem den Bereich der Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Darunter fallen eine Reihe an räumlichen, physischen, elektronischer oder auch medikamentösen Massnahmen, die in bestimmten Fällen in Alters- und Pflegeinstitutionen angewendet werden. Dabei geht es um Überlegungen zum Schutz vor Unfällen, Selbstverletzung, Aggressionen oder Belästigungen. Gerade demenzkranke Menschen sind zum Beispiel besonders sturzgefährdet (vgl. Sturzprävention). Aber auch mit therapeutischen oder medizinischen Massnahmen können bewegungseinschränkende Elemente verbunden sein.

Gemäss Erwachsenenschutzrecht dürfen bewegungseinschränkende Massnahmen für nicht urteilsfähige Personen nur dann angewendet werden, wenn eine ernsthafte Gefahr für die Betroffenen oder ihre Umgebung besteht und keine anderen Massnahmen wirken (Art. 383 ZGB). Darüber, ob bewegungseinschränkende Massnahmen ergriffen werden oder nicht, entscheiden die Pflegeinstitutionen (in Absprache mit allen Beteiligten). Urteilsfähige Menschen entscheiden grundsätzlich immer selber über potenziell einschränkende Massnahmen. Kommt es zu bewegungseinschränkenden Massnahmen, müssen diese detailliert dokumentiert und regelmässig auf ihre Berechtigung hin überprüft werden. Im Falle von urteilsunfähigen Menschen müssen zusätzlich zur betroffenen Person selbst, ihre vertretungsberechtigten Angehörigen bzw. Personen über den Grund der Massnahme und deren voraussichtlicher Dauer informiert werden. Sie können den Entscheid bei der zuständigen Erwachsenenschutzbehörde anfechten. Dadurch werden auch nicht urteilsfähige Menschen vor fachlichen Fehlentscheidungen geschützt.

Institutionen und Pflegenden stehen also immer wieder vor der Herausforderung, zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung der Betroffenen einerseits, und akuten Sicherheitsbedürfnissen andererseits, zu entscheiden. Dies ist aus ethisch-moralischen, medizinischen und rechtlichen Gründen nicht einfach. Rechtlich geht es zum Beispiel auch um Fragen der Haftbarkeit, falls sich jemand bei einem Sturz verletzt.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erhebt seit 2019 «Bewegungseinschränkende Massnahmen» in Form eines medizinischen Qualitätsindikators (vgl. Medizinische Qualitätsindikatoren) in allen Pflegeinstitutionen der Schweiz.

  • Die Informationsbox zum Heimeintritt und Aufenthalt, Rubrik Recht bietet weiterführende Informationen und eine Reihe an häufigen Fragen und Antworten zu Themen von Selbstbestimmung und bewegungseinschränkenden Massnahmen.
    Heimeintritt und Aufenthalt
     
  • Das breite Weiterbildungsangebot von ARTISET Bildung bietet regelmässig themenrelevante Kurse sowie Inhouse-Angebote zu Bewegungseinschränkenden Massnahmen an.
    Bewegungseinschränkende Massnahmen | Weiterbildung
     
  • Zusammen mit anderen Verbänden, Institutionen und Organisationen hat CURAVIVA Schweiz (heute ARTISET) die Charta zur Prävention von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und anderen Grenzverletzungen erarbeitet und unterzeichnet.
    Charta Prävention
     
  • Die schweizerische Nationale Plattform «Alter ohne Gewalt» engagiert sich in der Prävention von Misshandlung gegen ältere Menschen, bietet Beratung an und leistet Unterstützung in Krisensituationen. Die Plattform ist ein Zusammenschluss von: Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter (UBA) in der Deutschschweiz, Pro Senectute Ticino e Moesano im Tessin und italienisch-sprachigen Graubünden und alter ego in der Westschweiz.
    Alter ohne Gewalt | UBA, ProSenectute, alter ego
     
  • Im September 2020 publizierte der Bundesrat seinen Bericht «Gewalt im Alter verhindern», in Erfüllung des Postulats 15.3945 Glanzmann-Hunkeler (2015). Der Bericht geht auf die Problematik der Misshandlung älterer Menschen zu Hause und in Institutionen ein und gibt einen Überblick über die bestehenden Massnahmen in den Bereichen Prävention, Erkennung und Intervention zur Bekämpfung von Missbrauch im Alter, insbesondere im Rechts- und im Gesundheitswesen sowie in der Aus- und Weiterbildung.
    Gewalt im Alter verhindern | Bericht des Bundesrats | 2020

    Der Bericht basiert auf der gleichnamigen Studie der Hochschule Luzern, im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherung: 
    Gewalt im Alter verhindern | Grundlagenbericht (Beiträge zur Sozialen Sicherheit no 2/2020) | BSV | 2020

Publikationen und Links Erwachsenenschutzrecht

Publikationen

Kindes- und Erwachsenenschutzrecht: Informationen und praktische Arbeitshilfen für Kinder-, Jugend- und Behinderteninstitutionen | Fachbroschüre | CURAVIVA Schweiz, INSOS Schweiz | 2012
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Neues Erwachsenenschutzrecht | Themenheft | CURAVIVA Schweiz | 2012 (pdf, 605 kB)

Praxisnahes Grundlagenwerk mit Musterdokumenten, Flussdiagrammen, Arbeitshilfen und Kontaktadressen für die konkrete Umsetzung der Anpassungen in Altersinstitutionen

Wohnen und Leben in einer Altersinstitution - Informationen zum neuen Erwachsenenschutzrecht für Bewohnende und Angehörige | Heinz Rüegger | Faktenblatt | CURAVIVA Schweiz | 2013 (pdf, 201 kB)

Zusammenfassung der wichtigsten Informationen über die Rechte und Pflichten der Bewohnerinnen und Bewohner von Altersinstitutionen und ihren Angehörigen.

Ethik | Faktenblatt | CURAVIVA Schweiz | 2020 (pdf, 405 kB)

Faktenblatt zur Ethik mit Ausführungen zur Würde und zur Vulnerabilität von Menschen mit Behinderung sowie zur Urteilsunfähigkeit. Vorgestellt werden die Grundsätze der Prinzipienethik sowie die ethische Fallbesprechung, welche in komplexen Entscheidungssituationen hilfreich sein kann. 

Links

DOCUPASS – Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag und Testament | ProSenectute

Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden

Bundesamt für Justiz: Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

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